Erbrecht

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Pflichtteil

Pflichtteilsberechtige und Pflichtteilsentziehung

Pflichtteilsanspruch

Pflichtteilsergänzungsanspruch

Pflichtteilsrestanspruch

Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch

 

Pflichtteilsberechtigte und Pflichtteilsentziehung

Testierfreiheit

Die Grundsätze des Familienerbrechts und der Testierfreiheit des Erblassers geraten in Widerstreit, wenn der Erblasser durch Testament oder Erbvertrag seine Angehörigen ganz von der Erbfolge ausschließt, einzelne Angehörige zugunsten anderer Angehöriger oder dritter Personen enterbt oder seine Angehörigen in einem geringeren Maße bedenkt als es bei der gesetzlichen Erbfolge der Fall wäre. Dem Ausgleich dieses Spannungsverhältnisses dient das Pflichtteilsrecht. Das Bundesverfassungsgericht hat das Pflichtteilsrecht, das auf das römische Recht zurückgeht und seit langem ein zentraler Bestandteil des Erbrechts in Deutschland und in anderen europäischen Staaten ist, als verfassungsgemäß erklärt. Neben dem Rückgriff auf die rechtsgeschichtliche Tradition hat das Bundesverfassungsgericht das Pflichtteilsrecht auch mit der Erbrechtsgarantie des Art. 14 GG und dem Schutz des Familienverhältnisses zwischen dem Erblasser und seinen Kindern aus Art. 6 Abs. 1 GG begründet. Das Pflichtteilsrecht ist Ausdruck der unauflöslichen Familiensolidarität, die zwischen dem Erblasser und seinen Kindern besteht. Aus diesen Gründen ist die Testierfreiheit des Erblassers in verfassungskonformer Weise durch das gesetzliche Pflichtteilsrecht eingeschränkt.

Pflichtteilsberechtigte

Pflichtteilsberechtigt sind die folgenden Personen:

  • § 2303 Abs. 1 S. 1 BGB: Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkel, Urenkel, etc.)
  • § 2303 Abs. 2 S. 1 BGB: Eltern
  • § 2303 Abs. 2 S. 1 BGB: Ehegatten
  • § 10 Abs. 6 LPartG: Lebenspartner

Pflichtteilsentziehung

Die Einschränkung der Testierfreiheit des Erblassers greift dann nicht mehr, wenn der Pflichtteilsberechtigte gegenüber dem Erblasser eine schwere Verfehlung begangen hat. In solchen Ausnahmefällen steht dem Erblasser nach § 2333 BGB das Recht zu, dem Pflichtteilsberechtigten das Pflichtteilsrecht zu entziehen. § 2333 Abs. 1 BGB nennt die folgenden Pflichtteilsentziehungsgründe:

  • Der Pflichtteilsberechtigte hat dem Erblasser, einem Abkömmling des Erblassers oder einer dem Erblasser ähnlich nahestehenden Person nach dem Leben getrachtet,
  • Der Pflichtteilsberechtigte hat sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Erblasser oder gegen einen Abkömmling des Erblassers oder gegen einer dem Erblasser ähnlich nahtstehenden Person schuldig gemacht,
  • Der Pflichtteilsberechtigte hat die ihm dem Erblasser gegenüber obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt,
  • Der Pflichtteilsberechtigte wurde wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtkräftig verurteilt worden und die Teilhabe des Pflichtteilsberechtigten am Nachlass ist deshalb für den Erblasser unzumutbar,
  • Der Pflichtteilsberechtigte wurde wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Erziehungsanstalt untergebracht und die Teilhabe des Pflichtteilsberechtigten am Nachlass ist deshalb für den Erblasser unzumutbar.

Form der Pflichtteilsentziehung

Nach § 2336 Abs. 1 BGB erfolgt die Entziehung des Pflichtteils durch letztwillige Verfügung. Der Grund für die Entziehung muss nach § 2236 Abs. 2 BGB zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bestehen und im Testament angegeben sein.

Die Beweislast für das Vorliegen des angegebenen Entziehungsgrundes trägt nach der Beweislastregel des § 2336 Abs. 3 BGB derjenige, der die Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs verweigert, also der Erbe.

Verzeihung

Das Recht zur Entziehung des Pflichtteils erlischt nach § 2337 BGB durch Verzeihung. Dann wird die Verfügung, mit der der Erblasser die Entziehung angeordnet hat, unwirksam.

 

Pflichtteilsanspruch

Pflichtteilsanspruch

Ist ein Pflichtteilsberechtigter durch Testament oder Erbvertrag von der Erbfolge ausgeschlossen, steht ihm nach § 2303 Abs. 1 BGB ein Pflichtteilsanspruch in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils zu. Der Pflichtteil entsteht gem. § 2317 Abs. 1 BGB mit dem Erbfall. Der Pflichtteil ist ein Anspruch auf Zahlung von Geld. Der Pflichtteilsberechtigte ist am Nachlass nicht beteiligt. Deshalb kann der Pflichtteilsberechtigte nicht verlangen, dass einzelne Nachlassgegenstände auf ihn übertragen werden. Der Pflichtteilsanspruch ist nach § 2317 Abs. 2 BGB vererblich und übertragbar. Nach § 1273 Abs. 1 BGB kann Gegenstand eines Pfandrechts auch ein Recht sein. Daher kann der Pflichtteilsanspruch auch verpfändet werden.

Pflichtteilsquote

  • Nach § 2303 Abs. 1 S. 2 BGB beträgt der Pflichtteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Deshalb muss zur Berechnung des Pflichtteils festgestellt werden, was der Pflichtteilsberechtigte im Falle der gesetzlichen Erbfolge erhalten hätte. Zur Ermittlung des Erbteils werden gem. § 2310 S. 1 BGB die Personen mitgezählt, die enterbt wurden, die die Erbschaft ausgeschlagen haben und die für erbunwürdig erklärt worden sind. Wer durch Erbverzicht von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen ist, wird nach § 2310 S. 2 BGB nicht mitgezählt. Der Wegfall der mitgezählten Personen soll nicht den Pflichtteil vergrößern, sondern dem Erben zugute kommen.

Pflichtteilsquote des völlig enterbten Ehegatten bei Gütertrennung

Die Pflichtteilsquote des völlig enterbten Ehegatten bei Gütertrennung beträgt gem. § 2303 Abs. 1 S. 2 BGB die Hälfte des gesetzlichen Erbteils gem. § 1931 Abs. 4 BGB (neben einem Kind: 1/2, neben zwei Kindern: 1/3, ansonsten 1/4). Der Pflichtteil beträgt also

  • neben einem Kind: 1/4
  • neben zwei Kindern: 1/6
  • ansonsten: 1/8

Ist der Ehegatte zwar als Erbe oder Vermächtnisnehmer eingesetzt, bleibt die Zuwendung aber hinter dem gesetzlichen Erbteil zurück,

Pflichtteilsquote des völlig enterbten Ehegatten bei Zugewinngemeinschaft

Die Pflichtteilsquote des völlig enterbten Ehegatten bei Zugewinngemeinschaft beträgt gem. §§ 2303 Abs. 1 S. 2, 1371 Abs. 2 BGB die Hälfte des gesetzlichen Erbteils gem. § 1931 Abs. 1 BGB (1/4), also 1/8. Daneben kann er nach § 1371 Abs. 2 BGB den Ausgleich des tatsächlich entstandenen Zugewinnausgleichs verlangen.

Pflichtteilsquote anderer Pflichtteilsberechtigter

Die Pflichtteilsquote anderer Pflichtteilsberechtigter hängt davon ab, welche Erbquote oder welche Pflichtteilsquote dem überlebenden Ehegatten zusteht.

Gesamtschuldnerische Haftung von Miterben

Für den Pflichtteilsanspruch haften die Miterben im Außenverhältnis als Gesamtschuldner nach § 426 BGB. Im Innenverhältnis haftet gem. § 2320 Abs. 1 und 2 BGB derjenige, der anstelle des Pflichtteilsberechtigten gesetzlicher oder testamentarischer Erbe geworden ist.

Erlass

Der Pflichtteilsberechtigte kann dem Erben die Zahlung des Pflichtteilsanspruchs erlassen. Nach dem Erbfall ist dies durch nicht formbedürftigen Erlassvertrag nach § 397 BGB möglich.

Verjährung

Der Pflichtteilsanspruch verjährt gem. § 195 BGB nach Ablauf von drei Jahren. Die Frist beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit Ablauf des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte erfahren hat, dass

  • der Erbfall eingetreten ist, der den Pflichtteilsanspruch auslöst, und
  • er durch ein Testament oder durch einen Erbvertrag enterbt wurde.

Auf den Pflichtteil anzurechnende Zuwendungen des Erblassers an den Pflichtteilsberechtigten

Hat der Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten schon zu Lebzeiten etwas freiwillig zugewendet, wird die Zuwendung gem. § 2315 Abs. 1 BGB auf den Pflichtteil angerechnet, wenn der Erblasser dies bei der Zuwendung so bestimmt hat. Nach § 2315 Abs. 2 S. 1 BGB ist der Wert der Zuwendung dem Nachlass hinzuzurechnen.

Nach § 2316 Abs. 1 BGB sind beim Pflichtteil eines Abkömmlings auch Ausgleichungspflichten unter Abkömmlingen nach §§ 2050 ff. BGB und § 2057a BGB zu berücksichtigen. Für die Berechnung des Pflichtteils ist also der gesetzliche Erbteil zugrunde zu legen, der sich infolge der Ausgleichung ergeben würde.

 

Pflichtteilsergänzungsanspruch

Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Schenkungen

Wenn der Erblasser durch Schenkung an eine dritte Person den Nachlass vermindert hat, besteht ein Pflichtteilsergänzungsanspruch gem. § 2325 Abs. 1 BGB. Hierbei werden die Schenkungen (ggf. anteilig) dem tatsächlichen Nachlass hinzugerechnet.

Wert der Hinzurechnungen

Gem. § 2325 Abs. 2 S. 1 BGB sind verbrauchbare Sachen (Geld, Wertpapiere, etc.) stets mit ihrem Wert zum Zeitpunkt der Schenkung anzusetzen. Der im Zeitraum von der Schenkung bis zum Eintritt des Erbfalls eingetretene Kaufkraftschwund ist auszugleichen.

Andere Gegenstände (zum Beispiel Immobilien) kommen nach § 2325 Abs. 2 S. 2 BGB mit dem niedersten Wert vom Zeitpunkt der Schenkung oder vom Zeitpunkt des Erbfalls (Niederstwertprinzip) zum Ansatz. Bei der Vergleichsberechnung ist zunächst der Wert zum Zeitpunkt der Schenkung festzustellen und dann unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwunds auf den Tag des Erbfalls umzurechnen.

Begriff der Schenkung

Eine Schenkung liegt nur dann vor, wenn der Erblasser den verschenkten Gegenstand aus seinem Vermögen wirtschaftlich ausgegliedert hat. Es reicht also nicht, dass der Erblasser sein Eigentum an dem Gegenstand aufgegeben hat, wenn er ihn weiterhin nutzt. Hat sich der Erblasser also bei der Schenkung eines Grundstücks den Nießbrauch vorbehalten, gibt er die Nutzung des Grundstücks nicht auf. Daher liegt trotz Umschreibung des Grundbuches keine Schenkung im Sinne des § 2325 Abs. 3 S. 2 BGB vor.

Abschmelzung

Nach § 2325 Abs. 3 BGB kommt eine Schenkung innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang zum Ansatz. Mit jedem weiteren Jahr vor dem Erbfall wird jeweils eine Zehntel weniger berücksichtigt. Sind seit der Schenkung 10 Jahre verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt. Dann erhält der Pflichtteilsberechtigte darauf keine Pflichtteilsergänzung mehr.

Bei einer Schenkung an den Ehegatten beginnt die Frist nach § 2325 Abs. 3 S. 3 BGB nicht vor Auflösung der Ehe. Das hat zur Folge, dass Schenkungen unter Ehegatten ohne jede zeitliche Beschränkung zu berücksichtigen sind, wenn die Ehe durch den Tod des Erblassers aufgelöst wird. Bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe beginnt die Frist mit Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung. Wird die Ehe durch den Tod des beschenkten Ehegatten aufgelöst, findet eine jährliche Abschmelzung statt. Sind 10 Jahre seit dem Tod verstrichen, bleiben die Schenkungen des Erblassers an seinen vorverstorbenen Ehegatten unberücksichtigt.

Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch errechnet sich, indem zum tatsächlichen Nachlass der Wert des verschenkten Gegenstandes hinzugerechnet wird. Aus diesem fiktiven Nachlass (Ergänzungsnachlass) wird sodann anhand der Pflichtteilsquote der Gesamtpflichtteil ermittelt. Die Differenz aus dem Gesamtpflichtteil und dem ordentlichen Pflichtteil ergibt den Pflichtteilsergänzungsanspruch.

Ansprüche gegen den Beschenkten

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch richtet sich in erster Linie gegen den Erben, der für die Nachlassverbindlichkeiten einzustehen hat. Soweit der Erbe aber aus rechtlichen Gründen nicht zur Pflichtteilsergänzung verpflichtet ist, kann der Pflichtteilsberechtigte gem. § 2329 BGB den Beschenkten in Anspruch nehmen.

Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs gegen den Erben

Auch der Pflichtteilsergänzungsanspruch gem. § 2329 BGB verjährt gem. § 195 BGB nach Ablauf von drei Jahren. Die Frist beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit Ablauf des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte erfahren hat, dass

  • der Erbfall eingetreten ist, der den Pflichtteilsanspruch auslöst,
  • er durch ein Testament oder durch einen Erbvertrag enterbt wurde und
  • der Erblasser sein Vermögen durch eine Schenkung geschmälert hat

Das hat zur Folge, dass der Pflichtteilsanspruch und der Pflichtteilsergänzungsanspruch unterschiedliche Verjährungsfristen haben können, je nachdem, wann die Verjährungsfrist beginnt.

Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs gegen den Beschenkten

Auch der Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Beschenkten nach § 2329 BGB verjährt gem. § 195 BGB nach Ablauf von drei Jahren. Die Frist beginnt nach § 2332 Abs. 1 BGB, wenn

  • der Erbfall eingetreten ist (nicht erst mit Ablauf dieses Jahres),
  • unabhängig von der Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten vom Erbfall,
  • unabhängig von der Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten von der Schenkung

Hier wird das Interesse des Beschenkten geschützt, nicht noch nach längerer Zeit mit Rückforderungen rechnen zu müssen.

 

Pflichtteilsrestanspruch, Pflichtteil durch Ausschlagung einer beschränkten Erbschaft und Pflichtteilsanspruch bei Vermächtnis

Pflichtteilsanspruch bei völligem Ausschluss von der Erbfolge

Der Anspruch auf den Pflichtteil besteht nach § 2303 BGB, wenn eine pflichtteilsberechtigte Person durch Testament oder Erbvertrag von der Erbfolge ausgeschlossen wurde.

Pflichtteilsrestanspruch oder Zusatzpflichtteil

Pflichtteilsansprüche kommen nicht nur dann in Betracht, wenn ein Pflichtteilsberechtigter von der Erbfolge gänzlich ausgeschlossen wurde, sondern auch dann, wenn ihm ein Erbteil hinterlassen wurde oder eine Zuwendung gemacht wurde, die hinter dem Wert des Pflichtteils (die Hälfte des gesetzlichen Erbteils) zurückbleibt. Nach § 2305 S. 1 BGB steht dem Pflichtteilsberechtigten ein Pflichtteilsrestanspruch (Zusatzpflichtteil) in Höhe des fehlenden Wertes zu. Mit dieser gesetzlichen Regelung soll die Beteiligung des Pflichtteilsberechtigten in Höhe des Pflichtteils gesichert werden.

Pflichtteil durch Ausschlagung

Der Wert des hinterlassenen Erbteils kann auch durch vom Erblasser angeordnete Beschränkungen (Einsetzung von Nacherben, Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder eine Teilungsanordnung) oder Beschwerungen (Vermächtnisse oder Auflagen) erheblich geschmälert sein. Für diese Fälle gibt § 2306 Abs. 1 BGB dem Pflichtteilsberechtigten das Recht, sein Erbe auszuschlagen und stattdessen den Pflichtteil zu verlangen. In diesem Zusammenhang spielt die Höhe des hinterlassenen Erbteils keine Rolle. Der Pflichtteilsberechtige muss allerdings die Ausschlagungsfrist wahren, die nach § 1944 Abs. 1 BGB nur sechs Wochen beträgt. Nach § 2306 Abs. 1 2. HS BGB beginnt die Ausschlagungsfrist im Falle von Beschränkungen und Beschwerungen des Nachlasses erst dann, wenn der Erbe davon Kenntnis erlangt.

Pflichtteil bei Vermächtnis

Wurde dem Pflichtteilsberechtigten kein Erbteil, sondern ein Vermächtnis zugewandt, kann er gem. § 2307 Abs. 1 S. 1 BGB das Vermächtnis ausschlagen und stattdessen den Pflichtteil verlangen. Liegt der Wert des Vermächtnisses unter dem Pflichtteil, so steht dem Vermächtnisnehmer gem. § 2307 Abs. 1 S. 2 BGB ein Pflichtteilsrestanspruch in Höhe der Differenz zu.

 

Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch

Wert des Nachlasses

Um seinen Pflichtteilsanspruch berechnen zu können, benötigt der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis vom Nachlass. Zum Nachlass gehören gem. § 2311 Abs. 1 S. 1 BGB alle Nachlassgegenstände, die zur Zeit des Erbfalls tatsächlich vorhanden waren. Nach § 2316 Abs. 1 BGB ist für die Pflichtteilsberechnung der Erbteil zugrunde zu legen, der sich infolge von Ausgleichungen ergeben würde (eine von der Erbquote abweichende Verteilungsquote). Deshalb sind dem Nachlass die folgenden Positionen hinzuzurechnen (fiktiver Nachlass):

  • § 2050 Abs. 1 BGB: Ausstattungen im Sinne des § 1624 BGB: immer ausgleichungspflichtig, wenn keine andere Anordnung des Erblassers,
  • § 2050 Abs. 2 BGB: Zuschüsse und Ausbildungsaufwendungen: nur im Übermaß ausgleichungspflichtig, wenn keine andere Anordnung des Erblassers,
  • § 2050 Abs. 3 BGB: sonstige Zuwendungen, nicht ausgleichungspflichtig, außer bei anderer Anordnung des Erblassers,
  • § 2057a BGB: besondere Leistungen eines Abkömmlings

Neben den ausgleichungspflichtigen Zuwendungen sind auch die ergänzungspflichtigen Schenkungen gem. § 2325, 2329 BGB dem Nachlass fiktiv hinzuzurechnen.

Auskunft durch Bestandsverzeichnis

Damit sich der Pflichtteilsberechtigte einen Überblick über den Nachlass verschaffen kann, muss ihm der Erbe auf Verlangen gem. § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB Auskunft über den Bestand des Nachlasses verschaffen. Die Auskunft kann durch die Vorlage eines privaten Bestandsverzeichnisses gem. § 260 Abs. 1 BGB erfolgen. Besteht Grund zu der Annahme, dass das Bestandsverzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt errichtet wurde, hat der Erbe auf Verlangen gem. § 260 Abs. 2 BGB an Eides statt zu versichern, dass er den Bestand nach bestem Wissen so vollständig angegeben hat wie er dazu imstande ist. Nach § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte verlangen, dass er bei der Aufnahme des Bestandsverzeichnisses zugezogen wird.

Auskunft durch notarielles Nachlassverzeichnis

Zusätzlich kann der Pflichtteilsberechtigte nach § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB verlangen, dass das Bestandsverzeichnis durch die zuständige Behörde oder durch einen zuständigen Beamten oder Notar aufgenommen wird. In Baden-Württemberg sind nach § 41 Abs. 3 Landesgesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit (LFGG) nur Notare zuständig für die Errichtung eines Nachlassverzeichnisses. Der vom Erben beauftragte Notar ist zur Aufnahme des Bestandsverzeichnisses verpflichtet. Nach der Rechtsprechung geht ein notarielles Nachlassverzeichnis über die bloße Beurkundung der Erklärung des Erben weit hinaus. Der Notar muss nämlich eigene Ermittlungen über den Bestand des Nachlasses anstellen. Wie weit indessen die Ermittlungspflicht des Notars geht, ist noch nicht abschließend geklärt. Überwiegend wird davon ausgegangen, dass der Notar die folgenden Ermittlungen anstellen muss:

  • Aufsuchen der Wohnung des Erblassers,
  • Nachforschen beim örtlichen Grundbuchamt,
  • Einsichtnahme in das Zentrale Testamentsregister,
  • ggf. Einsichtnahme in das Handelsregister,
  • Einsichtnahme in die Nachlassakten des Nachlassgerichts,
  • Einsicht in alle vom Erblasser in den vergangenen 10 Jahren errichteten Urkunden,
  • Einsicht in alle Kontoauszüge des Erblassers aus den vergangenen 10 Jahren,
  • Nachforschen beim Finanzamt nach Befreiung vom Steuergeheimnis

Meist hat es einen Grund, dass der Pflichtteilsberechtigte enterbt wurde. Nicht selten bestand eine jahrelange Distanz zum Erblasser. Daher ist der Pflichtteilsberechtigte oftmals in Beweisnot. Aus diesem Grund ist ein notarielles Nachlassverzeichnis dem privaten Bestandsverzeichnis regelmäßig vorzuziehen.

Wertermittlungsanspruch

Nach § 2311 Abs. 2 S. 1 BGB ist der Nachlasswert durch Schätzung zu ermitteln. Dazu kann der Pflichtteilsberechtigte zunächst vom Erben sämtliche Unterlagen (Geschäftsunterlagen, Rechnungen, Quittungen, Überweisungsbelege, etc.) anfordern, damit er sich selbst ein Bild vom Wert des Nachlasses machen kann. Reichen diese Informationen aber nicht aus, kann der Pflichtteilsberechtigte nach § 2314 Abs. 1 S. 2, Abs. 2  BGB vom Erben fordern, dass der Wert sämtlicher Nachlassgegenstände auf Kosten des Nachlasses ermittelt wird. Der Erbe muss dann einen unabhängigen Sachverständigen mit der Wertermittlung beauftragen.

 

Achtung: Diese Informationen sind der Übersichtlichkeit halber bewusst knapp gehalten. Sie stellen keine verbindliche Rechtsauskunft dar und ersetzen keine Rechtsberatung im Einzelfall. Obwohl sie mit größter Sorgfalt erstellt wurden, wird für ihre Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität keine Haftung übernommen.

 

 
Ute Wunsch, Wunsch Kanzlei, Fachanwalt Familienrecht, Böblingen, Scheidungsanwalt, Scheidung

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